Veröffentlicht: 21.04.2020 | Geschrieben von: Markus Gärtner | Letzte Aktualisierung: 22.06.2022
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Mit Amazon verbindet man in vielen Bereichen gemeinhin so viel Macht und Dominanz, dass man sich fragt: Wann wird Jeff Bezos’ Unternehmen die Weltherrschaft übernehmen? In manchen Ländern und Kontinenten bestimmt Amazon immerhin bereits den Online-Handel, etwa in Deutschland und Nordamerika. In anderen Ländern wie Schweden ist der E-Commerce-Riese hingegen noch gar nicht aktiv.
Doch nach welchen Kriterien sucht Amazon die Märkte aus, die es sich – wie zuletzt beim Start in den Niederlanden – vornimmt? Und was sind die Gründe, einzelne Regionen bisher außen vor zu lassen? Welche Länder geht der expandierende Konzern als nächstes an? Wir haben bei zwei Amazon-Experten nachgefragt: Dr. Kai Hudetz ist Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung (IFH) Köln und Professor Gerrit Heinemann leitet das eWeb Research Center an der Hochschule Niederrhein.
In diesen Ländern ist Amazon bereits am Start
Amazon ist nach eigenen Angaben bereits auf fünf Kontinenten mit eigenen Marktplätzen in diesen Ländern vertreten:
- Nordamerika: USA, Mexiko, Kanada
- Südamerika: Brasilien
- Europa: Deutschland, Vereinigtes Königreich, Frankreich, Italien, Spanien, Niederlande, Türkei
- Asien: Japan, China, Indien, Singapur, Vereinigte Arabische Emirate
- Australien
Dabei gibt es einige Besonderheiten: So beliefert der deutschsprachige Amazon-Marktplatz etwa auch Online-Kunden aus Österreich, der Schweiz und Liechtenstein. Viele Online-Shopper greifen also auf benachbarte Marktplätze zurück, vor allem wenn die Sprache es erlaubt. Amazon erreicht so Kunden in fast aller Welt – auch wenn es keinen eigenen Länder-Marktplatz gibt.
Warum gibt es Amazon nicht in Afrika?
Auffällig ist, dass Afrika für Jeff Bezos anscheinend noch fast keine Rolle spielt – dabei kommt der Online-Handel dort auch langsam ins Rollen. Mit dem Online-Marktplatz Jumia gibt es allerdings seit 2012 eine dominierende Plattform, das deutsche Investment-Unternehmen Rocket Internet hat seine Anteile am „Amazon Afrikas“ gerade erst abgegeben. Gerrit Heinemann sieht mehrere Gründe für Amazons Zögern in Afrika: Fehlendes Umsatzpotenzial, mangelnde Infrastruktur, politische Instabilität und mögliche Korruptionsrisiken.
Das bestätigt auch Kai Hudetz: „Amazon denkt immer sehr nachhaltig und langfristig. Da sind stabile Rahmenbedingungen von höchster Relevanz – und diese sind eigentlich in keinem afrikanischen Land gegeben.“ Dass Amazon in naher Zukunft dort aktiv wird, halten also beide für unwahrscheinlich. „Ich vermute, dass afrikanische Länder nicht ganz oben auf der Liste stehen“, so Hudetz. Allenfalls im Cloud Computing findet Heinemann Ansatzpunkte für ein mögliches Engagement von Amazon.
Amazon in Skandinavien: Der Faktor Bevölkerungsdichte
Doch auch in Europa gibt es noch weiße Flecken auf der Amazon-Weltkarte – dabei wären die genannten wirtschaftlichen und politischen Bedingungen etwa in den skandinavischen Ländern ideal. Hier dürfte das Problem aber die Bevölkerungsdichte sein, vermutet Heinemann. „Je größer die Fläche eines Landes im Verhältnis zur Einwohnerzahl, umso weniger Effizienz in der Zustellung. Die skandinavischen Länder gehören mit zu den am dünnsten besiedelten Ländern mit jeweils relativ wenig Einwohnern. Zudem rechtfertigen die Cross-Border-Exporte noch keinen Markteinstieg, der ja auch irgendwann eigene Zustellung bedeuten soll“, so der Experte.
Darum hat Amazon China aufgegeben
In anderen Gegenden befindet sich Amazon hingegen schon auf dem Rückzug: In China hat der E-Commerce-Gigant sein Marktplatz-Geschäft bereits aufgegeben – die Konkurrenz durch die Plattformen von Alibaba und JD.com war wohl zu groß. „China ist ein stark reglementierter Markt, in dem sich alle US-amerikanischen Unternehmen von Ebay bis Google sehr schwer getan haben und auch weiterhin schwer tun. Die chinesische Regierung sorgt im Zweifelsfall dafür, dass chinesische Unternehmen auf ihrem Heimatmarkt ihren Heimvorteil ausspielen können“, erläutert Hudetz. Dabei zählt China neben Indien zu einem der wichtigsten Zukunftsschauplätze des E-Commerce.
Apropos Indien: Dort fiel Jeff Bezos im Januar sogar durch vollen Körpereinsatz auf, als er sich zum Start seiner Lieferflotte von Elektro-Rikschas selbst hinters Steuer setzte. Amazon hat dort auch erst eine Milliarde US-Dollar investiert, um vor allem kleinen Händlern den Einstieg in den Online-Handel zu ermöglichen.
Trotz großer Hürden: Indien als Zukunftsmarkt des E-Commerce?
Trotzdem sieht Gerrit Heinemann einige Herausforderungen für den Branchenriesen: „Der indische Markt gilt als korrupt und politisch extrem schwierig. Der Amazon-Anspruch, mit eigener Infrastruktur schnell ein Ökosystem aufzubauen und dann Marktführer zu werden, ist dort nicht so ohne Weiteres realisierbar.“ Noch dazu hat Amazons stationärer Konkurrent Walmart im Jahr 2018 die Mehrheit an der indischen E-Commerce-Plattform Flipkart übernommen – und Amazon dabei überboten.
Doch rein finanziell dürfte Amazon die verpasste Chance kaum treffen, vermutet Heinemann. „Flipkart kommt bei 40 Prozent Marktanteil nur auf umgerechnet drei Mrd. US-Dollar Umsatz – die sind zweifelsohne in den Niederlanden schneller zu holen.“ Dennoch dürfte Indien auf Bezos' Agenda auch weiter oben stehen. „Indien wird perspektivisch der größte E-Commerce-Markt weltweit“, prognostiziert Kai Hudetz.
So wählt Amazon seine nächsten Märkte aus
Aber wie wählt Jeff Bezos überhaupt aus, in welchen Ländern sein nach Dominanz strebendes Unternehmen als nächstes antritt? Hudetz nennt drei Faktoren: Marktpotenzial, Marktintensität und die gesamten Rahmenbedingungen von den logistischen bis hin zu den den politischen Voraussetzungen.
Gerrit Heinemann nennt zusätzlich noch beim Marktstart die Nähe zu einem bereits etablierten Amazon-Land und das bereits bestehende Cross-Border-Exportvolumen aus einem Nachbarland dorthin. Generell verfolge der Online-Riese „eine typische Wasserfallstrategie, die neben Nähe und damit Verdichtung auch die Größe und das Umsatzpotenzial eines neuen Landes berücksichtigt“, so Heinemann. Bei der Wasserfallstrategie erschließt sich ein Unternehmen einen einzelnen neuen Markt, lernt daraus und geht dann den nächsten an. Das Gegenteil ist die Sprinklerstrategie: Dabei wird der Markteintritt parallel in verschiedenen Ländern gewagt.
In diese Regionen kommt Amazon als nächstes
Davon ausgehend könnten die nächsten Zielländer von Amazon wohl in Südamerika und vor allem der EU liegen, schätzt Heinemann. „Vor allem die Verdichtung von Deutschland aus in Richtung Polen, Ungarn, Tschechien bis zur Türkei macht mehr Sinn, als sich einen Satelliten in weiter Ferne und ohne regionale Anbindung ans Bein zu binden“, führt der Experte aus. In der Türkei ist Amazon seit 2018 mit einem eigenen Marktplatz aktiv.
Kai Hudetz will „angesichts der Dynamik der Märkte und der Agilität von Amazon“ keine Prognose wagen, stellt aber fest: „Amazon wird Zielländer nach klaren Kriterien priorisieren und sich dann vor Ort schnell und mit großem Nachdruck festsetzen.“
Bis zur Weltherrschaft Amazons ist es aber noch ein ganzes Stück für Bezos: Immerhin gibt es knapp 200 Staaten auf der Erde.
Author: Lisa Taylor
Last Updated: 1704048003
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